Über einen Artikel im Münchner Merkur bin ich auf Hanni Münzer aufmerksam geworden.
Auf ihrer Autorenseite bei Amazon kann man lesen:
„Hanni Münzer hatte schon immer eine lebhafte Fantasie (zum Leidwesen von Eltern und Lehrern) und verschlang bereits als Sechsjährige jedes Buch. Nicht alles war jugendfrei. Aus der Leidenschaft zu lesen, entwickelte sich die Leidenschaft zu schreiben.
2013 veröffentlichte die in Wolfratshausen Geborene ihr Debüt Die Seelenfischer. Es war ein Experiment, das versehentlich gelang. Plötzlich war sie Autorin.“
Ihr Roman Honigtod wurde 2014 veröffentlicht und fand auf Anhieb einen Platz in den Bestsellerlisten. Er erzählt die Geschichte der Amerikanerin Felicity, die bei der Suche nach ihrer Mutter auf ein Geheimnis stößt, das sie mitten in die Abgründe der deutschen Geschichte hineinführt.
Im September vergangenen Jahres erschien dazu der Fortsetzungsroman „Marlene“.
Ich freue mich daher sehr, dass Hanni Münzer sich zu einem Interview bereiterklärte:
Liebe Frau Münzer, können Sie sich den Lesern kurz vorstellen und beschreiben was Sie tun?
Ich bin eine ganz normal Verrückte aus Oberbayern und wurde versehentlich Autorin.
Sie haben mit 48 Jahren Ihr erstes e-Book sehr erfolgreich veröffentlicht, dem weitere folgten. Wie kam es dazu?
Das e-Book war Plan B. Der Erfolg kam zwar noch vor der Menopause, aber ich habe schon zehn Jahre zuvor versucht für mein Buch „Die Seelenfischer“ einen Verlag zu finden. Der Klassiker: die einen schrieben nicht zurück, die anderen meldeten sich nicht. Ein paar Absagen gab es auch. Dann kam ein Tipp der Autorin Andrea Sixt Ende 2012, es gäbe die Möglichkeit, sein Manuskript digital via Amazon hochzuladen. Ich wagte das Experiment, das versehentlich gelang. Seitdem bin ich Autorin. Ähnlich erging es wohl Christopher Columbus: Er machte sich auf, den Seeweg nach Indien zu finden, und entdeckte versehentlich einen neuen Kontinent. Die Indianer wünschen sich bis heute, er hätte sich nicht versegelt.
Können Sie uns etwas über Ihren Werdegang erzählen?
Ich war schon immer voller Unrast und sehr reisefreudig, selten so richtig sesshaft. Meine Großmutter und Urgroßmutter sind Roma, da kommt das vermutlich her. Leider bin ich auch furchtbar ehrgeizig, zuerst im Sport, dann im Beruf; ich wollte immer ein bisschen mehr. Schon in frühester Kindheit war ich eine Leseratte, habe Geschichten jeder Couleur verschlungen, los ging es mit Romanen von James Fenimore Cooper. Keine Pferdebücher oder „Hanni und Nanni“. Ich wollte das große Abenteuer. (Meine Eltern glauben bis heute, man hätte mich im Krankenhaus vertauscht.) Irgendwann merkte ich, dass ich im Kopf die gelesenen Geschichten umschrieb, weil mir manchmal das Ende nicht gefiel. Lesen reichte mir nicht mehr. Und plötzlich war ein Kinderbuch fertig. Dann folgten „Die Seelenfischer“ und „Honigtot“, das ich für meine damals 17jährige Tochter schrieb.
Welche Talente/Begabungen/Neigungen konnten Sie beim Schreiben einbringen?
„Talent ist zwar eine Voraussetzung, aber Können muss man sich hart erarbeiten.“ Das sagt ein fiktiver Musiklehrer in „Honigtot“ zu Elisabeth Malpran, der berühmten Sopranistin. Neben der Lust am Schreiben und der Inspiration benötigt man auch Disziplin. Eine gewisse Leidenschaft gehört natürlich auch dazu. Bei mir ist es noch schlimmer: Ich bin besessen. Wenn ich nicht mehr schreiben könnte, würde ich eingehen wie eine Blume in der Wüste.
Was inspiriert Sie für Ihre Bücher, wie finden Sie Ihre Themen?
Ich finde sie überall, manchmal reicht ein Satz, den ich irgendwo lese. Es ist wie ein Keim, der plötzlich aufgeht, Wurzeln schlägt, wächst, zu einem Baum wird, der eine Geschichte trägt.
Gab es Hürden, die Sie meistern mussten?
Na ja, die erste Hürde war, dass ich keinen Verlag fand. Ein Autor definiert sich ja durch seine Leser. Keine Leser, kein Autor. Darum bin ich Amazon so dankbar, dass ich durch diese geniale Vertriebsplattform doch noch die Möglichkeit hatte, als Autor zu reüssieren. Danach kamen die Verlage von allein auf mich zu. Ohne Amazon gäbe es bis heute keine Autorin Hanni Münzer.
Was hat sich seit der erfolgreichen Veröffentlichung Ihrer Bücher für Sie verändert?
Nicht viel, mein Leben war vorher schon aufregend und es ist so geblieben. Einzig, dass ich meinen Beruf überall hin mitnehmen kann. Schreiben kann man an jedem Ort. Das ist wunderbar.
Gibt es bei Ihnen manchmal Schreibblockaden und wenn ja – wie gehen Sie damit um?
Nein, bis jetzt noch keine Schreibblockaden. Klopf auf Holz.
Wer oder was hat Sie in Ihrem Leben am meisten geprägt?
Meine Eltern, besonders meine Mutter. Sie ist mein Vorbild, der beste Mensch, den ich kenne.
Und meine unerschütterliche Stiefgroßmutter. Und natürlich der beste Ehemann von allen, sowie meine Freunde; Freunde sind wichtig, sie sozialisieren einen. Ob man will oder nicht.
Was raten Sie Menschen in der Lebensmitte, die neue Weg gehen möchten?
An sich selbst zu glauben; sich nicht den Selbstzweifeln hinzugeben, die einen ausbremsen wollen. An alle: Schnippt dieses böse Teufelchen von der Schulter!
Und zu wissen, dass es Disziplin braucht. Es fällt einem nichts in den Schoß. Und wenn etwas schiefgeht, wirklich darüber nachzudenken, woran es liegen könnte.
Ich habe leider die Erfahrung in meinen Bekanntenkreis gemacht, dass wir Menschen dazu neigen, zuerst die Schuld bei anderen zu suchen oder den Umständen und so weiter. Wir reden uns manchmal die Wirklichkeit schön. Man muss gnadenlos ehrlich gegen sich selbst sein. Das ist der Weg zum Erfolg. Das ist eine Anleihe bei Jesus, dem Gnostiker, der sagte: Erkenne dich selbst! Gnosis. Erkenntnis. Das gilt übrigens für alle Lebensumstände. Das führt auch zu ihrer nächsten Frage.
Haben Sie ein persönliches Lebensmotto?
Ich habe zwei, eigentlich drei:
Zum ersten stelle ich mich selbst jeden Tag in Frage: Könnte ich nicht auch irren in meiner Überzeugung? Ist mein Gegenüber, das eine völlig andere Meinung hat als ich, vielleicht klüger als ich? Oder kann ich es mit meinen Argumenten überzeugen? Mir sind heute zu viele Leute unterwegs, die sehr laut schreien. Und leider plappern zu viele alles nach. Weil es ihnen selbst ins Weltbild passt. Ich will in keiner Welt leben, in der meine eigene Meinung immer nur bestätigt wird. Das ist auch mein Anliegen: die Menschen dazu anzuregen, auch einmal ihre eigenen Gewissheiten anzuzweifeln und zu überdenken. Nur so hat sich die Menschheit überhaupt weiterentwickeln können. Eine Welt, in der die Menschen bereit sind, auch einmal über ihre eigenen Gewissheiten nachzudenken, wäre eine bessere Welt. Das ist meine Definition von Toleranz.
Ansonsten lauten mein Lebensmottos: Carpe diem, und: Leben und leben lassen.
Neben Ihren eigenen – welche Bücher lesen Sie am liebsten?
Sehr viele Biographien historischer Personen wie die der Madame Pompadour, das war eine wunderbare, starke und liebende Frau, zuletzt jene über Benjamin Franklin und Hannah Arendt. Darüber hinaus genieße ich die viel zu jung gestorbene Jane Austen, ihr Werk ist zeitlos. Eines meiner Lieblingsbücher ist das magische „Watership down“ von Richard Adams, und natürlich J.R.R. Tolkien. Auch Alessandro Barrico („Seide“) und Alice Munro muss man gelesen haben. Vor dieser Schreibkunst kniee ich!
Wenn Sie drei Wünsche frei hätten für Ihren weiteren Lebensweg – welche wären das?
1. Dass alle meine Lieben und auch meine Tiere gesund bleiben und glücklich mit mir altern. Aber das wünsche ich der ganzen Menschheit, wenn ich den Wunsch so ausdehnen darf.
2. Dass die Menschen endlich erkennen, dass es mehrere Wahrheiten gibt, und dass alle friedlich miteinander koexistieren können, und dass es dazu nicht Gottes Wille (wer immer er/sie/es ist) braucht, sondern einfach nur des Menschen Wille.
3. Und ich würde gerne noch viele Leser glücklich machen.
Wenn Du mehr über Hanni Münzer und ihre Bücher erfahren möchtest, kannst Du das hier tun.
Ich bedanke mich ganz herzlich für das sehr inspirierende Interview.
Herzlichst,
Sabine
Foto: Hanni Münzer
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